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Ein Bewegungsablauf wie Tanzen

Ein Bewegungsablauf wie Tanzen

Der zweite Besuch von Oliver Gutmann bei der Dame mit Demenz zeigt, wie ihr ein unerwarteter Bewegungsablauf Entspannung brachte. Oliver Gutmann, der Autor von „Rosi Huber geht zum Friseur“, ist ehrenamtlicher Hospizbegleiter. Sandra Gutmann führte dieses telefonische Interview. Die Namen der beteiligten Personen und Einrichtungen werden wir nicht veröffentlichen.

Sandra Gutmann: Oliver, du warst vergangene Woche wieder bei deiner neuen Demenzbegleitung. Wie war der Beginn deines Besuches?

Oliver Gutmann: Frau Schmidt* hat anders auf mich reagiert, als beim ersten Mal. Ich denke nicht, dass sie mich bewusst wiedererkannt hat. Es war aber so etwas Ähnliches wie Wiedererkennen. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich an meine Berührungen erinnerte. Sie war nicht mehr so zurückhaltend wie beim ersten Mal, griff sehr schnell nach meiner Hand und ließ sie nicht mehr los.

Sandra: Was ist dir noch aufgefallen?

Oliver: Die andere Bewohnerin, die mit ihr im Zimmer liegt, hatte das Radio sehr laut. Dort lief Schlagermusik. Wenn Frau Schmidt meine Hand hält, hält sie ihre Hand nicht still. Sie ist immer sehr aktiv mit den Händen. Als sie diesmal meine Hand hielt und sich bewegte, hatte ich den Eindruck, dass es ihr sehr gut tut, wenn ich meine Hand und ihre im Takt der Musik bewege. Irgendwann kam mir dieser Bewegungsablauf ein bisschen so vor, als würden wir miteinander tanzen.

Sandra: Wie wirkte Frau Schmidt dabei auf dich?

Ihr Gesichtsausdruck war entspannter

Oliver: Dieser Bewegungsablauf ging nur einige Minuten. Während dieser Zeit war für mich eine Verbindung zu spüren. Ihr Gesichtsausdruck war entspannter. Die Atmung ging ruhiger. Sie hat während dieser Bewegung nicht weiterhin versucht, nach mir zu greifen oder ihre Fingernägel in meine Haut zu krallen.

Sandra: Irgendwann musstest du sie wieder loslassen.

Oliver: Das habe ich, weil ich um das Bett herumgegangen bin, um ihr etwas zu trinken zu holen. Da wurde Frau Schmidt sofort wieder unruhig. Sie griff nach mir und gab Laute von sich, die ängstlich wirkten.

Sandra: Wie lange warst du bei Frau Schmidt?

Oliver: Wieder eine Stunde.

Sandra: Letztes Mal fehlte dir noch der Biographiebogen, den die Tochter von Frau Schmidt ausfüllen sollte. Hast du ihn inzwischen erhalten?

Oliver: Noch nicht, ich konnte allerdings mit der Tochter telefonieren. Wir vereinbarten ein Treffen, das in vierzehn Tagen stattfinden soll. Bei dieser  Gelegenheit werde ich auch den Bogen bekommen.

Sandra: Wie hast du dich von Frau Schmidt verabschiedet?

Oliver: Ich habe auch diesmal wieder gefragt, ob ich wieder kommen darf. Da ich den Eindruck hatte, dass Frau Schmidt mich nicht gerne gehen lassen wollte, habe ich ihr mein Wiederkommen nicht nur zugesagt, sondern versprochen.

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Unser Büchlein für Menschen mit Demenz finden Sie hier: Rosi Huber geht zum Friseur

Dieses Interview ist ein Erfahrungsbericht. Weder Interviewerin noch Interviewter sind Fachleute für Demenz. Bei Fragen zur Demenz konsultieren Sie bitte Arzt, Ärztin oder andere Fachleute. Eine Haftung des Gutmann Verlages, der Interviewerin oder des Interviewten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Sie wollen wissen, wie der erste Besuch bei Frau Schmidt verlief? Demenzbegleitung im Pflegeheim

Ein Buchtipp einer unserer Leserinnen:Der alte König in seinem Exil

* Der Name wurde geändert.

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